Mittwoch, 15. November 2023

La Linea - La Graciosa



Nun ist ein großer Tag für mich angebrochen. Meine bis dato längste Etappe auf See steht vor der Tür. Am Vortag habe ich noch Lebensmittel und Getränke gebunkert, sowie Campinggas organisiert. Zweiteres kostete mich doch den halben Tag, da anscheinend jeder in La Linia Gas bunkerte. Mit Müh und Not und der Mithilfe der Rezeptionistin, gelang es mir dennoch zumindest eine Flasche zu ergattern. Heureka.  

 
Dienstag, 07.11.23 
 
1. Seeatag
 
Um 0600 läutet mich der Wecker aus dem Schlaf, es ist noch dunkel und saukalt, was mich nicht gerade dazu verleitet aus meinem Bett zu steigen. Zur Seekrankheitsprofilaxe gibt es anstatt Kaffe heute Tee 😉. Wasser aufgefüllt, Strom abstecken noch kurz mit den Nachbarn quatschen und dann geht es auch schon los.  
0730: 
Ich verlasse gemeinsam mit meinen australischen Freunden von der “Sea Thyme” den Club Maritimo Linense und unter Motor geht es vorerst raus aus der Bucht von Gibraltar, um anschließen dicht unter Land im seichten Gewässer bis nach Tarifa zu “schleiche”. Zum einen nutzten wir den Neerstrom, welche in dieser Gegend aktiv ist, zum anderen, um eine vermeintliche Begegnung mit Orcas aus dem Weg zu gehen. Diese Kollegen mögen einfach kein seichtes Wasser.  
Aus dem Logbuch entnehme ich, dass eine zeitigere Abreise günstiger gewesen wäre, da bereits kurz vor Tarife, die Strömung kippte und merklich vom Atlantik reindrückte. Gott sei Dank haben wir angenehmen Nordwind und unter Segeln geht es dann “motorgestützt” raus auf den Atlantik.  
Im Trichter vor der Menge ist sehr viel Schiffsverkehr, weshalb unser Routenplan ein spätes qeuren der Hauptverkehrszone Richtung Tanger vorsieht.  
1515: 
Endlich kann ich den Motor abschalten, und Woodpecker 2 pflügt mit guter Geschwindigkeit auf Kurs 250°. Bis dahin musste ich bereits feststellen, dass mich zwischenzeitlich eine ungeheure Müdigkeit einholte. Das kann ja noch was werden..... 
1900:  
Der Wind aus Nordwest brist zusehends auf, sodass ich das Großsegel komplett Berge und die Genua auf das erste Reff verkleinere. Es ist nach wie vor saukalt” sodass ich mit Ölzeug und 2 Lagen inkl. Haube im Cockpit verweile. Gut getan habe ich daran, dass ich am Vorabend Curry vorgekocht habe und dies nun nur aufwärme muss. Angespannt aufgrund des Schiffsverkehrs geht es in die erste Nacht, welche von einer nicht berühmten Schlafperformance geprägt war.  
In Vollmontur mach ich es mir am Salonboden “bequem” setze den timer auf 20min und pflüge mit teils über 7kt meinem ersten Wegpunkt entgegen. Ich träume in den kurzen Phasen die verrücktesten Dinge und justiere völlig unbegründet dauernd meine Windsteueranlage. Aufkommen der Großschifffahrt nach wie vor hoch.  

 
Abends immer noch reger Schiffsverkehr

Mit  Vollzeug raus aus der Meerenge

Ciao "Affenberg"





Mittwoch, 08.11.23 
 
2. Seetag
 
Am Morgen fühle ich mich wie ein Boxer (nein nicht der vermeintliche Sieger) kurz vor dem KO. Nach dem Aubaumen der Genua bin ich völlig im Eimer. Ich fühle mich träge und habe das Gefühl krank zu werden. Gott sei Dank zeigt das Fieberthermometer eine normale Temperatur. Aber als Kind einer Apotheker Familie werfe ich mir vorsorglich was ein, trinke gefühlte 5l Liter Tee und versuche so viel wie möglich zu dösen. Mittags gibs einen Schinkenkäsetoast und auch danach stelle ich immer wieder den Timer im 30min Intervall. Ich bin ehrlich erste Gedanken ans Aufhören machen sich breit.  Viel Negatives schießt mir durch den Kopf. Gott sei Dank habe ich meinen kleinen Satelitencommunicator dabei und kann einige meiner wirren Gedanken zumindest als Textnachricht loswerden.  
An dieser Stelle bin ich dir liebe Tato und dir lieber Kendi zu großem Dank verpflichtet, welche ihr meinen geistigen Abfall aufgenommen habt und mich auch mit Wetterdaten (Kendi) versorgt habt.  
Generel kann ich es derzeit nicht genießen.  
Um 2330 muss ich dann auch noch den Motor starten, da aufgrund des Mangels an stärkerer Brise aber doch beachtlichem wirren Seegang die Genau zu heftig schlägt. 
0415 – Motor wird gestoppt – akutelle Postion 34°38´N 8°48`W – COG 235 – Logspeed 5,2kt  

 
Nightmode

Ausgebaumte Genua

Donnerstag 09.11.23 
 
3. Seetag: 
Auszug aus dem Logbuch
 
 
Die Nacht war mäßig, Motoren von 2330 – 0415, danach segeln mit ausgebaumter Genua;  
Morgens wieder mal gerädert; Wechsle zwischen Gennaker und Motor;  
Nach wie vor Gedanken ans Aufhören und einer Pause zu Hause; 
Winter auf den Kanaren? Im Sommer retour ins Mittelmeer oder Norddeutschland? Im Moment geknickt; 
Mittags Fleischbällchen aus der Dose; 
Tanke 20l Diesel aus dem Kanister nach; 
Chrissi hilft mir meine Gedanken zu sortieren – gelingt mir schwer, hilft aber unheimlich!; 
Funkkontakt zu SY Bambaiana – Wetterinfo – nicht vielversprechend; 
Danke Kendi du Wettergott; 
Morore bis 1830 – Danach Raumwind unter Genua; 
Um 2330 baume ich die Genua aus – 0050 Wind futsch – Motor an; 
Finde ab 0330 halbwegs schlaf und davor von 2030-2330; 

Leichtwindsegel

Specht in Action

Sunset

 
Freitag 10.11.23 
 
4. Seetag
 
Die Gedanken der Sprit könne nicht reichen setzen mir ziemlich zu. Versuche mich immer wieder damit zu beruhigen, dass ich ja ein Segelboot habe und zur Not mal treibend auf Wind warten muss. Das hilft mir dann doch.  
Vormittags funke ich die Segelyacht “Firefly” an. Ein Tiroler Paar samt Kind und versuche auch hier Wetterinfos einzuholen. Es hat den Anschein, wir fahren dem Wind hinterher oder die Flautenzone verschiebt sich genau mit uns.  
Um 1100 baume ich das Leichtwindsegel aus und siehe da ich mache rund 4,5kt Fahrt.  
Dies soll ein emotionaler Wendepunkt für mich werden. Das Setup funktioniert prima, kein Schlagen, keine Kreuzsee, sanfte 3m Atlantikdünung lassen den Specht wieder segeln. Mein hirn versprüht Glücksgefühle, was darin gipfelt, dass ich mittags Schweinsmedaillons zubereite, nachmittags Kaffee und Kekse genieße, Hörbücher und Gitarre spiele. Plötzlich wirkt alles so entspannt und einfach.  
Kurzum, ich genieße es! Vor dem Einbruch der Nacht wechsle ich noch auf die Genua. Da Böen von 20kt einfach grenzwertig fürs leichte Segel sind und für die Nacht dann doch 25kt prognostiziert sind. 
Vor dem ersten Schlafintervall verkleinere ich die Genua noch auf das 2te Reff und pflüge immer noc mit guter Geschwindigkeit platt vorm Wind durch das Wasser.  
Die Nacht allerdings istmehr als unangenehm da der Wind um 10-15° auf ONO dreht, was eine fürchterliche Kreuzsee verursachte. Regelmäßig schlagen kleine Brecher an den Rumpf und mein Boot macht die wildesten Bewegungen. Ich bin jedoch mehr und mehr von meinem mechanischem Windpilot begeistert, welcher das Schiff wie von Geisterhand perfekt auf Kurs hält - ein Traum das Ding.  
 
Nightmode 2.0

12. Runde

Es geht dahin

Samstag, 11.11.23 
 
5. Seetag
 
Der Wind bläßt nach wie vor mit tollen 4-5 Bft aus NO. Und am Vormittag beruhigt sich die Welle ein wenig. Generell merke ich, dass mein Körper bzw. Geist mit dem Schlafentzug besser zurechtkommt, auch wenn die Nacht eine Katastrophe war und mich der morgen mit wolkenverhangenem Himmel und leichtem Regen begrüßt. Also Luke dicht und weiter Dösen, dösen, dösen. Da ich nun doch etwas weiter von meiner geplanten Route abgekommen bin, wechsle ich die ausgebaumte Genua von Backbord auf Steuerbord. Ein Kurzes Funkgespräch mit der Firefly gibt mir die Bestätigung, nicht hypersensibel zu sein, denn auch sie haben aufgrund der Kreuzsee kaum ein Auge zugetan.  
Gott sei Dank sortiert sich die Welle und wenn ich auf mein GPS schaue, kommen leichte Glücksgefühle in mir hoch. Wenn es so weiter geht, bin ich morgen Abend da. Nach einer Portion Nudel, mit einer selbstgemachten Sauce, welche eher nach Tapetenkleister schmeckt, aber zumindest satt macht, geht es in die Koje.  
Gefühlte 5min nach dem Hinlegen knallt es zum ersten Mal a Rumpf. Der Anfang einer weiteren unruhigen und nahezu schlaflosen Nacht.  

Noch 150sm


Sonntag, 12.11.23 
 
6. Seetag 
Ja, ich werde heute ankommen, auch wenn der Wind auslassen sollte, habe ich noch genügend Diesel, um die restliche Strecke zu motoren. Jippiie. Ich höre viel Hörbuch, stelle auf Passatbesegelung um und warte nur darauf die Umrisse von Lanzarote und La Graciosa zu erspähen. 1215UHR. LAND IN SICHT 
Der Wind hat bereits weiter angeflaut, aber das war mir noch egal. Im Schweinsgallopp von 3,5kt schleiche ich Ruchtung Ankerbucht, ehe ich um 1415Uhr den Motor anwerfe und die letzten 3h in die Bucht “Cala Francesa” auf La Graciosa motore, wo um 1715UHR zwischen rund 30 Segelbooten der Anker fällt.  

Pasatbesegelung

Landfall

Anker ist gefallen

Anlegerbier

 
Conclusio: 
Sei es für einen gestandenen Salzbuckel nur ein Katzensprung, so ist die für mich doch ein Meilenstein. War es doch die für mich längste Passage bis dato.  
Glücksgefühle und Missgefallen liegen sehr nah beinander und Segeln besteht nicht nur, aus tollem Essen kochen, Defline beobachten, Sundowner genießen, zumindest für mich nicht. Es ist eine Grenzerfahrung für mich gewesen, im positivien, wie im negativen Sinne. Es gilt daher an den positiven Dingen festzuhalten und gerade am Thema Schlaf noch zu arbeiten.  
Nun genieße ich hier die Zeit auf den Kanaren und erkunde die Inselwelt, ehe es Richtung Kapverden weitergeht, so der Plan A.

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